Wiener Zentralfriedhof – Natur anders

Alljährlich am Tag nach Allerheiligen machen wir einen Spaziergang am Wiener Zentralfriedhof. Zu Allerheiligen, am 1. November, ist uns dort zu viel „Publikumsverkehr“. Aber am nächsten Tag, zu Allerseelen, kurz vor Einbruch der Dunkelheit herrscht dort eine wunderbar ruhige, meditative Atmosphäre.

2008-11-13_6wzDie wenigen Menschen, die noch unterwegs sind, verlieren sich im riesigen Areal des Friedhofs, überall brennen noch die roten Grabkerzen vom Vortag und leuchten in den anbrechenden Abend hinein.

2008-11-13_7wzDie untergehende Sonne bringt die rot und golden verfärbten Blätter der alten, großen Bäume in deren Kronen noch einmal zum Aufleuchten. Unter den Schritten raschelt das herbstliche Laub. Ab und zu huscht ein Eichhörnchen über den Weg, die Krähen suchen sich unter lautem Krächzen ihr nächtliches Schlafquartier und ein paar unermüdliche Singvögel zwitschern ihr Abendlied.

2008-11-13_5wzDer Wiener Zentralfriedhof, der nicht wie der Name irreführenderweise behauptet, im Zentrum, sondern am äußersten Stadtrand Wiens liegt, ist der zweitgrößte Friedhof Europas. 1874 wurde er als erster interkonfessioneller Friedhof seiner Bestimmung übergeben. Seither fanden auf dem 2,4 ha großen Areal ca. drei Millionen Menschen aus unterschiedlichen Konfessionen ihre letzte Ruhestätte. Armengräber sind dort ebenso zu finden wie richtig prunkvolle neugotische Grabhäuschen, namenlose Gräber genauso wie zahlreiche Ehrengräber bedeutender Künstler und Gelehrter.

2008-11-13_9wzIch liebe ganz besonders den „alten jüdischen Friedhof“. Die Gräber in diesem Teil stammen überwiegend aus der Zeit gleich nach der Eröffnung. Bereits 1920 war dieser Teil des Areals „belegt“. Seither wurden und werden die Angehörigen des jüdischen Glaubens im „neuen jüdischen Friedhof“ beigesetzt.

Der „alte jüdische Friedhof“ wurde gegen Ende des zweiten Weltkriegs durch Fliegerbomben teilweise zerstört. Viele Nachfahren derjenigen, die dort ruhen, wurden getötet, einige haben es rechtzeitig geschafft, auszuwandern. So sind die meisten der Gräber in diesem Teil dem Fortschreiten der Zeit ausgeliefert. Die Grabsteine sind umgestürzt, die Inschriften nicht mehr lesbar, Grabbegrenzungen rosten langsam weg oder brechen durch die nachgebende Erde nach und nach ein. Efeu und wilder Wein überwuchern die Gräber.

2008-11-13_4wzKleine Zypressen, Thujen oder Eiben, einst als Symbole für den Sieg des Lebens über den Tod auf die Gräber gepflanzt, haben sich zu mächtigen Bäumen entwickelt und sich tief im Erdreich verwurzelt. Buchsbäume, nicht mehr geschnitten, sind zu gewaltigen Sträuchern herangewachsen. Einige Rosenstöcke haben ungeahnte Dimensionen erreicht. Aber auch die natürliche Vegetation hat sich ihren Weg gebahnt: Riesige Brennnesselfelder wuchern zwischen den Gräbern, nur ab und zu werden sie gemäht.

2008-11-13_8wzWenn man über den jüdischen Friedhof spaziert, kann man viel von der einstigen Blüte der jüdischen Kultur in Wien sehen: Reiche Kaufleute und Bankiers mit protzigen Gräbern, viele Wissenschaftler und Künstler, treue Staatsdiener (die nicht für ihre Treue belohnt wurden), wohlklingende Namen, hebräische Inschriften, wunderschön – lesen kann ich sie leider nicht. Aber auch viele schlichte Gräber der ärmeren jüdischen Bevölkerung.

2008-11-13_1wzBedrückend, auf wievielen Grabsteinen nur ein Vermerk über das vermutete Todesjahr irgendwann während der Schrecken des zweiten Weltkrieges zu finden ist, auf wievielen man als Sterbeort Auschwitz, Treblinka, Buchenwald und ähnlich bekannte KZs findet. Ein Gang durch die österreichische Geschichte.

2008-11-13_2wzAber auch ein Ort des Lebens: Der riesige Friedhof beherbergt eine sehr vielfältige Fauna. Hier wohnen jede Menge Eichhörnchen, die zum Teil auch recht zutraulich sind. Die vielen Mäusen dienen den Turmfalken, Mardern und Dachsen als Nahrung. Ringelnattern und zahlreiche Frösche sind ebenso anzutreffen wie Hasen und Rehe, die sich über die vielen immergrünen Pflanzen ganz besonders im Winter freuen.

2008-11-13_3wzDa unsere Familiengräber einige hundert Kilometer entfernt sind, entzünden wir als Zeichen unseres Gedenkens an verstorbene Familienmitglieder immer ein Kerzlein an einem namenlosen, vergessenen Grab.

2008-11-13_10wzDass die Wiener ein ganz besonderes Verhältnis zum Tod haben, davon zeugen unzählige Lieder, Filme und Romane. Aber auch die Tatsache, dass der Zentralfriedhof zu den größten Naherholungsgebieten der Wiener gehört. Der Hang der Wiener zur Morbidität gilt als Besonderheit der Wiener Seele. Leben und Tod stehen hier in inniger Verbindung, viele Heurigenlieder handeln vom Tod, schnell kann die Stimmung umschlagen zwischen Lebenslust und Todessehnsucht. Deutlich wird dies auch an den riesigen Eingangstoren zum Friedhof: Hier gibt es Würstelstandln, einige Glühwein- und Punschstandl, Maronibrater – man kann ganz gemütlich auf das Wohl der Verstorbenen trinken und sich stärken, bevor oder nachdem man ihren Gräbern einen Besuch abstattet.

André Heller hat den Wiener Zentralfriedhof einst nicht ganz unzutreffend als „Aphrodisiakum für Nekrophile“ bezeichnet.

Siechtum im Tomatenhimmel

Auf der Terrasse kann ich nach wie vor frische Tomaten ernten. Allerdings haben sich hier in den letzten beiden Wochen Krankheit und Siechtum breit gemacht.

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Blick nach rechts (alle Bilder von heute mittag)

Normalerweise entferne ich sofort alle Blätter mit Anzeichen von Mehltau oder Braunfäule. Aber bedingt durch meine lange Grippe habe ich das vernachlässigen müssen und so konnten die lästigen Pilze um sich greifen.

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Blick in die andere Richtung

Trotz der befallenen Blätter sind die Früchte noch gesund und schmecken köstlich. Drei Sorten bilden in diesem Jahr den Terrassen-Dschungel: Dunkelviolette Indische Fleischtomate, Ranktomate Carnica und De Berao.

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Ranktomate Carnica

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Links die Dunkelviolette Indische Fleischtomate

Bei dieser Sortenwahl wird es auch im nächsten Jahr bleiben, alle drei haben sich ganz gut auf der Terrasse, unter deren Dach sich im Sommer die Hitze furchtbar staut, bewährt.

Ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir zu dieser Jahreszeit noch frische Tomaten ernten können. Zudem reifen im Haus körbeweise die unreif geernteten Tomaten aus dem Garten nach. Meine Einmachgläser sind alle voll, der Gefrierschrank auch. Ich hoffe, der Frost lässt sich noch eine Weile Zeit, damit ich nicht alle Terrassen-Tomaten auf einmal ernten muss.
Wenn ich in anderen Blogs schon von Wintereinbruch lese und Bilder von schneebedeckten Gärten sehe, kommt mir das beinahe unglaublich vor.

Quitten-Freude!

Unser im März 2007 gepflanztes kleines Quittenbäumchen macht mir seit der Pflanzung viel Freude. Im Frühjahr bringt es wunderschöne weiße, große Blüten hervor und die Blätter sind mit ihrem zarten Flaum streichelweich und samtig, sodass man am liebsten jedesmal beim Vorbeigehen am Baum mit ihnen ein wenig kuscheln möchte.

Nach ausgiebigem Recherchieren haben wir uns letztes Jahr für die Sorte Cydora (ohne „Robusta“ hintendran, das ist eine eigene Sorte) entschieden und die Entscheidung war gut.
Die Sorte Cydora entstand 1988 in der Forschungsanstalt Geisenheim und ist erst seit 1997 im Handel. Unser Lieblingsbaumschuler konnte uns daher nicht mit Sicherheit sagen, ob Cydora selbstfruchtbar ist. Wir gingen das Risiko ein – und sie ist.

2008-10-29_1wzUnser kleines Bäumchen trug heuer bereits gezählte 57 herrlich duftende Quitten. Die Äste des noch zarten Bäumchens bogen sich bedenklich nach unten, die Früchte sind wirklich groß und schwer!

Anscheinend sind Quitten hier bei uns nicht allen bekannt. Oft sind Spaziergänger stehen geblieben, wenn ich draußen war, und haben über den Zaun gefragt, was das denn für auffällig große, leuchtendgelbe Früchte seien.

2008-10-29_2wzDie Sorte Cydora wird als hochtolerant gegenüber Mehltau und Feuerbrand beschrieben, mit zitronen- bis birnenförmigen, leuchtendgelben Früchten, einem intensiven Aroma und einem für Quitten relativ zarten Fruchtfleisch mit wenig Steinzellen.

2008-10-29_4wzEinen Teil der Quitten habe ich ohne viel Schnickschnack zu Marmelade verarbeitet, etwas Gelee habe ich auch gemacht, einen Teil gekocht, püriert und zur weiteren Verarbeitung eingefroren. Dann noch flugs zwei unterschiedliche Quittenliköre angesetzt – und noch immer waren von der eigenen Ernte Quitten übrig. Ich hatte nicht gedacht, dass Quitten so ergiebig sein würden.

Ein lieber Bekannter beschenkte uns dann noch mit einigen Eimern Kontantinopler Quitten. Die haben wir zusammen mit dem Rest der eigenen Quittenernte eingemaischt. Ganz schön viel Arbeit – mussten wir doch die Quitten alle erst vierteln, um sie anschließend in unserer Küchenmaschine zu zerkleinern.

2008-10-29_3wzNun steht das große Gärfass in der Küche, der Gärvorgang hat gerade eingesetzt. Bis daraus Hochprozentiges in trinkbarer Form entstanden ist, vergeht aber noch einiges an Zeit.

Erste Tomaten-Noternte

Heute war wieder einer dieser Tage, die ich nicht mag: Den ganzen Tag dichter Nebel, düsterer Himmel, unterbrochen immer wieder von heftigen Regenfällen – Luftfeuchtigkeit zum Angreifen. Denn kalt ist es nicht. Man konnte mit T-Shirt draußen sein, sofern man nichts gegen das Nass-Werden hat.
Bei meinem kurzen Rundgang – eigentlich sollte ich noch das Sofa hüten – habe ich gesehen, dass im Gemüsegarten schlagartig die Tomaten krank werden. Also musste ich schnell ein paar große Schüsseln holen und den Rest grün abernten und in Sicherheit bringen.

Die Tangellapflanzen, die in einem anderen Freiland-Beet ungeschützt stehen, sind noch kerngesund. Ich lasse sie noch bis zum ersten Frost stehen.

Die unreifen Tomaten dürfen wie üblich in Schachteln im Haus nachreifen. Die meisten tun das auch ganz gut. Zum Kochen sind sie immer noch um Längen besser als gekaufte.

2008-10-16_ErntewzUm unsere Tomaten-Frischversorgung muss ich mir also noch keine Sorgen machen. Der Tomatenhimmel auf der Terrasse hängt nämlich auch noch voller reifer, halbreifer und grüner Früchte. Die Pflanzen auf der Terrasse schauen noch halbwegs gut aus. Bin gespannt, wie lang sie noch durchhalten. Und die Tomaten in den Töpfen an der Hauswand sind ebenfalls noch halbwegs gesund, obwohl sie bei jedem Regen etwas Nässe abbekommen.

Allerdings konnte ich etwas ganz Ungewöhnliches beobachten, das mir gar nicht gefällt: Einige der Paprika- und Chilipflanzen beginnen sich von den Blättern her mit einer dicken wattigen Schicht zu überziehen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Da muss wohl die ungewöhnlich große Feuchtigkeit und der überaus kalte September in diesem Jahr eine Rolle spielen. Jedenfalls werden bei weitem nicht alle Chilis abreifen.

Dafür hatte ich heuer zum ersten Mal eine richtig, richtig gute Paprikaernte heuer – aber dazu ein ander Mal.

Au(s)gang

Am Sonntag hielt mich trotz Grippe und Kopfschmerzen nichts mehr drinnen. Nach fast einer Woche Bett hüten, musste ich zumindest auf einen kurzen Spaziergang in die Lobau, die von unserem Haus nur zwei Minuten entfernt liegt.

Auf einem meiner Lieblingswege durch den herbstlichen Auwald…

01_2008-10-15_Wegwz… gelangt man schon nach ein paar Minuten an einen Donau-Altarm und wähnt sich mitten im Dschungel.

02_2008-10-15_DschungelwzRuhig liegt das Wasser des Altarms in der Sonne, ab und zu schnappen ein paar Fische nach oben. Vom Himmel hört man das Krächzen der ersten Krähen, die bei uns ihr Winterquartier beziehen. Umgestürzte Bäume dürfen am Ufer verrotten.

03_2008-10-15_Dschungel2wzLässt sich hier gar ein Krokodil ins Wasser gleiten…?

04_2008-10-15_HolzkrokodilwzDie herbstliche Farbenpracht spiegelt sich im Wasser. In roten Lianen hängt der Wilde Wein von den Bäumen.

05_2008-10-15_FarbspielamWasserwzWeiter im Auwald findet man jede Menge umgestürzte Bäume, die einen recht malerischen Anblick bieten, aber bald von Geissblatt und Waldrebe überzogen kaum mehr sichtbar sein werden.

06_2008-10-15_BaumleichenwzIn der Au gibt es auch zahlreiche sonnige Trockenwiesen, umsäumt von Weißdorn, Kreuzdorn, Hartriegel, Spindelstrauch und Birken, die im Frühling von der Blüte des Wiesensalbeis in Violett erstrahlen.

09_2008-10-15_BlattloseBirkenwzZu dieser Jahreszeit findet man nur mehr wenig Blüten, dafür verfärben sich auch am Boden die Blätter. Die Zypressenwolfsmilch trägt schon ihr herbstliches Gewand.

10_2008.10-15_ZypressenwolfsmilchwzMalerisch steht diese tote Birke am Wiesenrand. Ihr Stamm beherbergt Leben…

07_2008-10-15_ToteBirkewzHier hat sich der Birkenporling angesiedelt. Der Birkenporling gilt als Notfallapotheke der Vorzeit. Auf frischen Wunden wirkt er blutstillend und antiseptisch. Ötzi, die 5300 Jahre alte Gletschermumie, die 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, führte getrocknete Birkenporlinge mit sich.

08_2008-10-15_BirkenporlingwzSchätze gibt es auch in der Wiese zu entdecken: Wilder Spargel, der an manchen Stellen in der Lobau zu finden ist.

11_2008-10-15_SpargelwzVon dem hier, auch wenn es noch so verlockend aussieht, sollte man aber lieber die Finger lassen. Der Genuss der „Pfaffenkapperl“, wie sie bei uns heißen, würde in Brechreiz enden. Die Frucht des Spindelstrauches ist giftig.

13_2008-10-15_PfaffenkapperlwzAber hier gibt’s noch schnell was für den Heimweg…

12_2008-10-15_BrombeerenwzZuhause angekommen, überfiel mich auch schon wieder die nächste Fieberwelle. Aber ich konnte mit so schönen Bildern im Kopf den restlichen Grippe-Tagen etwas gelassener entgegensehen.